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Rohstoffe und Entwicklung

20.07.2022 Neue Kurzinformation zu dem Nexus zwischen Umwelt und Menschenrechten im Bergbau

Umweltbeeinträchtigungen und Menschenrechte

Eine Betrachtung globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten für mineralische Rohstoffe zeigt, wie eng Menschenrechts- und Umweltrisiken miteinander verbunden sind. Entlang mineralischer Rohstofflieferketten kommt es neben Menschenrechtsverletzungen wie z. B. Kinderarbeit auch zu Umweltbeeinträchtigungen wie Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverlust oder Entwaldung. Umweltbeeinträchtigungen führen jedoch häufig über ihre Auswirkungen auf Umwelt und Klima hinaus zu Verletzungen der Rechte der lokalen Bevölkerung. Diese können einerseits in zeitlicher und rechtlicher Hinsicht unmittelbar durch Umweltbeeinträchtigungen verursacht werden, z. B. Hautirritationen nach Kontakt mit verunreinigtem Wasser. Viele Auswirkungen auf die Umwelt wirken sich aber erst nach Jahren oder indirekt auf Menschen aus. So kann die Verunreinigung von Wasser beispielsweise auch die Landwirtschaft langfristig erschweren und damit die Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung bedrohen.

Menschenrechtsschutz: Staatliche Schutzpflicht oder unternehmerische Verantwortung?

In erster Linie sind die Staaten gegenüber ihrer Bevölkerung zur Achtung, zum Schutz und zur Erfüllung der Menschenrechte verpflichtet. Doch in der globalisierten Welt mit grenzüberschreitendem Handel und transnational agierenden Konzernen reicht die Beziehung zwischen einem Staat und seiner Bevölkerung für einen umfassenden Menschenrechtsschutz oft nicht mehr aus. Vermehrt schaffen Staaten einen regulatorischen Rahmen, um Menschen auch vor der Verletzung durch Dritte, etwa Unternehmen, zu schützen.

Grundsätzlich sollten alle Menschen, die von Beeinträchtigungen ihrer Rechte durch ein Unternehmen betroffen sind, die Möglichkeit haben, Rechtsschutz in Form von Schadensersatz vor den Gerichten vor Ort zu erlangen. Dieser Weg kann aber bei Verletzungen durch internationale Bergbauunternehmen in Abbauländern durch die Rechteinhaber*innen oft nicht beschritten werden. Klagen vor den nationalen Gerichten können dabei u. a. an mangelnden nationalen Schadensersatzvorschriften, fehlendem Wissen der Rechteinhaber*innen, kurzen Verjährungsfristen oder Beweisschwierigkeiten scheitern. Damit Menschenrechtsverletzungen durch multinationale Unternehmen nicht ohne Konsequenzen bleiben, wird im internationalen Recht seit Jahren über die Haftung vor den Gerichten am Ort des Hauptsitzes der Unternehmen diskutiert. Nach internationalem Privatrecht sind solche Schadensersatzklagen gegen Unternehmen an ihrem Hauptsitz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und vor europäischen Gerichten ist in diesen Fällen das Recht des Schadensortes, also des Abbaulandes, in dem die Verletzung stattgefunden hat, maßgeblich.

Ein Beispiel dafür ist das Verfahren gegen den TÜV Süd vor dem Landgericht München I. In diesem verklagen die brasilianische Gemeinde Brumadinho sowie rund 1.100 Betroffene den TÜV Süd auf Schadenersatz - nach brasilianischen Umwelthaftungsrecht -, weil dessen brasilianische Tochtergesellschaft den Damm eines Rückhaltebeckens für giftige Minenschlämme als sicher zertifiziert hatte, kurz bevor dieser im Januar 2019 brach und eine Schlammlawine 270 Menschen tötete, die Gemeinde Brumadinho verwüstete und das Ökosystem rund um den Fluss Paraopeba zerstörte. Das Gericht hat im September 2021 bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der ursprünglich für Februar 2022 angesetzte Verkündungstermin wurde jedoch verschoben (Externer Link), nachdem sich Anfang 2022 weitere Kläger*innen dem Verfahren angeschlossen hatten.

Ein anderes Beispiel für die Haftung von Unternehmen in Industriestaaten bietet der Fall Lungowe v Vedanta Resources (Externer Link), der 2015-2019 vor englischen Gerichten verhandelt wurde. Die Anwohner*innen einer Mine, die von einer Tochtergesellschaft des britischen Konzerns Vedanta Resources Plc betrieben wurde, hatten den Mutterkonzern auf Schadenersatz für die Verschmutzung von Wasserläufen und den daraus resultierenden Gesundheitsschäden und Einkommensverlusten verklagt. 2019 erklärte der Supreme Court die englischen Gerichte trotz der Anwendbarkeit des sambischen Rechts für zuständig. Dies begründete der Supreme Court insbesondere damit, dass die Betroffenen in Sambia mangels ausreichender finanzieller Ressourcen keinen Zugang zu effektivem Rechtsschutz gehabt hätten. In der Folge der Entscheidung ließ sich Vedanta auf einen Vergleich ein, sodass es nicht mehr zu einer Entscheidung in der Sache kam.

Zunehmende Regulierung unternehmerischer Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten

Darüber hinaus gibt es seit 2010 verschiedene Bestrebungen, unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang von Lieferketten zu etablieren: neben verschiedenen freiwilligen Regelungswerken sollen in Industriestaaten ansässige Unternehmen durch rechtlich bindende Lieferkettengesetze zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet werden. Zunächst waren diese Gesetze auf bestimmte Aspekte beschränkt, wie etwa der Dodd-Frank-Act (Externer Link) in den USA, der auf die Finanzierung von gewaltsamen Konflikten in der Region der großen Seen in Afrika durch den Handel mit Zinn, Wolfram, Coltan und Gold fokussiert ist. Die Vorschriften werden jedoch zunehmend umfassender und enthalten neben menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten immer häufiger auch umweltbezogene Standards, so auch das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (sog. Lieferkettengesetz, LkSG), welches am 01.01.2023 in Kraft tritt. In diesem lassen sich umweltbezogene Sorgfaltspflichten in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen können sich die Pflichten auf bestimmte Umweltbeeinträchtigungen, die zu ausgewählten Menschenrechtsverletzungen führen, beziehen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 9 DEU LkSG). Zum anderen bestehen eigenständige umweltbezogene Pflichten (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1-8 DEU LkSG).

Der Entwurf für eine EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (Externer Link)) enthält nach dem Vorbild des französischen Lieferkettengesetzes (loi de vigilance (Externer Link)) eine zivilrechtliche Haftungsbestimmung. Dadurch können entlang der Lieferkette Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen am Hauptsitz des Unternehmens auf Schadensersatz für die vom Gesetz umfassten Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen klagen, wenn die Beeinträchtigungen durch das Unternehmen hätten verhindert werden können.

Insgesamt ist für eine nachhaltige Wirkung der Lieferkettengesetzgebung erforderlich, dass alle Akteure – Unternehmen, Regierungen der Abbauländer und Rechteinhaber*innen – sich an dem Lieferkettenkontrollprozess beteiligen.

Ein Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt?

Neben unternehmerischen Sorgfaltspflichten könnte der Umweltschutz – und damit auch der Schutz von Menschenrechten – durch eine andere Entwicklung weiter vorangetrieben werden: Da eine gesunde Umwelt Grundvoraussetzung für viele Menschenrechte ist, wird zunehmend ein Menschenrecht auf eine gesunde, saubere und nachhaltige Umwelt diskutiert. In einigen regionalen Menschenrechtsverträgen wurde bereits ein Recht auf eine saubere Umwelt verankert, das nun auch auf internationaler Ebene Anerkennung findet. Im Oktober 2021 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Resolution (Externer Link) verabschiedet, die das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkennt. Rechtlich bindend sind die Resolutionen des Menschenrechtsrates nicht, sie stellen nur politische Absichtserklärungen dar. Der Menschenrechtsrat hat jedoch beschlossen, die Resolution an die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu überweisen und eine Entscheidung noch im Jahr 2022 in diesem Gremium vorzuschlagen. Zwar entstehen auch durch die Resolutionen der Generalversammlung keine rechtlich bindenden Pflichten, eine solche Resolution entfaltet jedoch ein größeres politisches Gewicht. Wie zuvor bei der Anerkennung des Rechts auf Wasser aus dem Jahr 2010 könnte eine solche Entscheidung zu einem verstärkten staatlichen Einsatz zum Schutz vor Umweltbeeinträchtigungen sowie zu einer erhöhten Bereitschaft für Finanzierungen und Ressourcen zur Umsetzung eines solchen Rechts führen.

Kurzinformation „Der Nexus zwischen Umwelt und Menschenrechten im Bergbau“

Dateityp PDF | Sachstandsdatum 07/2022 | Dateigröße 768 KB, Seiten 4 Seiten

Erfahren Sie mehr über den Zusammenhang von Umweltbeeinträchtigungen und Menschenrechten im Bergbau in unserer neuen Kurzinformation!

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Rosalie Seppelt (Externer Link).