Sektorprogramm
Rohstoffe und Entwicklung

Zertifizierungen im Rohstoffsektor Wildwuchs bei Standardssetzung für mehr Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor vermeiden: Experten diskutieren Wege nach Vorn

Ende März fand der zweitägige „Interoperability Workshop“ in Bonn statt, den das Sektorprogramm Rohstoffe und Entwicklung und das „Centre for Social Responsibility in Mining“ der University of Queensland gemeinsam veranstalteten. Kernfrage der Fachveranstaltung war, wie man die verschiedenen Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme im Bergbausektor miteinander harmonisieren kann. Unter dem Motto „From Harmonisation to Interoperability: Streamlining Sustainability Initiatives for Responsible Mining“ diskutierten Experten/innen, darunter Vertreter/innen verschiedener Forschungsprojekte, nationaler und internationaler Zertifizierungsinitiativen sowie der Industrie und der Entwicklungszusammenarbeit, das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und thematisierten die bestehenden Herausforderungen für alle beteiligten Akteure.

Im Zentrum der Diskussionen standen die Ergebnisse eines vom Sektorprogramm Rohstoffe und Entwicklung finanzierten Forschungsprojektes zum Thema Interoperabilität von Lieferkettenstandards, die während des Workshops vorgestellt und verifiziert wurden. Anhand dreier Fallstudien untersuchte die University of Queensland, in wie weit die Anforderungen bestehender Standardisierungs- und Zertifizierungsinitiativen für mehr Nachhaltigkeit in der Rohstofflieferkette vereinheitlicht werden könnten, um Maßnahmen wirksamer zu machen und Kosten zu senken. Ein besonders gutes Beispiel für Interoperabilität ist die Zusammenarbeit und gegenseitige Anerkennung der beiden Initiativen im Goldsektor, Fairmined und Responsible Jewellery Council. Anstatt sich zu bekämpfen, arbeiten die Initiativen eng zusammen, unterstützen sich z. B. bei der Abnahme von zertifiziertem Gold, und verbinden die Bedürfnisse des Klein- und Großbergbaus auf Gold.

Mehr Harmonisierung und Vereinheitlichung wäre wünschenswert, ist doch seit Anfang der 1990er Jahre die Anzahl an Nachhaltigkeitsstandards immens gestiegen. So bestehen derzeit etwa 465 unterschiedliche Standards, die in 199 Ländern operieren und 25 verschiedene Industriezweige umfassen. Einerseits sind solche Zahlen Ausdruck einer stärkeren Beachtung sozialer und ökologischer Aspekte durch die Wirtschaft, andererseits gehen sie mit einem gewissen Effektivitätsverlust einher. Allgemein zeigt sich ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für die Produktionsbedingungen der hierzulande gekauften Produkte. Nachhaltigkeitsstandards und entsprechende Zertifikate sollen in diesem Zusammenhang die Sozial- und Umweltverträglichkeit eines Produktes belegen. Jedoch mündet die immer größere Anzahl an Nachhaltigkeitsstandards in sehr unterschiedliche Anforderungen einzelner Initiativen, in steigenden Umsetzungskosten, einer gewissen Prüfmüdigkeit sowie mangelnder Übersichtlichkeit für Unternehmen und Verbraucher.

Die Teilnehmer/innen des Workshops untersuchten deshalb unterschiedliche Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit verschiedener Initiativen und die dabei bestehenden Herausforderungen. Besonders augenscheinlich waren dabei die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Zertifikate sowie bestehende Konkurrenzverhältnisse zwischen einzelnen Initiativen. Vor diesem Hintergrund war es sehr positiv, dass ein Großteil der vertretenen Initiativen im Rahmen des Workshops erstmals gemeinsam an einem Tisch saßen und miteinander diskutierten. Es wurde schnell klar, dass es im Rohstoffsektor in Zukunft noch mehr an Kooperation zwischen den Initiativen benötigt. Auch die vertretenen Wirtschaftsvertreter/innen kritisierten die hohe Anzahl unterschiedlicher Standards. Sie hoben den Bedarf an umfassenden Initiativen hervor, die Nachhaltigkeitsfragen entlang der gesamten Wertschöpfungskette begutachten. Insbesondere müssen die Upstream- und Downstreamsektoren zusammengedacht werden, so dass Nachhaltigkeitsanforderungen für Minen und Schmelzen; für Weiterverarbeiter, Veredler und Lieferanten; sowie für den Verbraucher abgestimmt sind. Für Unternehmen ist wichtig, dass sie in Abfragen, Prüfmissionen oder Berichten die Anforderungen möglichst vieler Standards gleichzeitig abdecken können. Darüber hinaus wurden auch Finanzierungsfragen diskutiert, etwa die durch die Zertifizierung auftretenden Mehrkosten, sowie die Auswirkungen zivilgesellschaftlicher oder privatwirtschaftlicher Initiativen auf das staatliche Engagement für mehr Nachhaltigkeit.

Insgesamt lobten die Teilnehmer/innen die konstruktive Gesprächsatmosphäre, in der die teilweise kontroversen Diskussionen geführt wurden, sowie die Tatsache, dass durch den Workshop so viele unterschiedliche Interessensvertreter zusammengebracht wurden, um auf hohem fachlichen Niveau gemeinsam über Probleme und effektive Lösungsansätze zu suchen. Der Abschlussbericht des Forschungsprojekts wird Ende Mai 2017 vorliegen und u.a. Empfehlungen für Kooperationsmöglichkeiten untersuchter Initiativen sowie zu möglicher Folgeforschung beinhalten. Die Forschungsergebnisse werden auf der „2017 Global Sustainability Standards Conference“, die die Dachinitiative ISEAL Ende Juni 2017 in Zürich veranstaltet, vorgestellt und weiter diskutiert.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte eine*n der GIZ-Kolleg*innen (Externer Link).